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Vorstellung des Justizservice

Streifzug durchs Amtsgericht


Über Mangel an Arbeit können sich die Richter und Justizangestellten im Osterholzer Amtsgericht nicht beklagen. Zugenommen haben zum Beispiel Verfahren, in denen es um den Schutz von Kindern ging.

„Wir hatten in den ersten drei 2017-Quartalen pro Monat 46 Scheidungen zu bearbeiten“, sagt Margarete Wollstadt, Richterin für Familiensachen. Auch sogenannte Gewaltschutzsachen kommen auf den Schreibtisch von Margarete Wollstadt. Hinter diesem juristischen Begriff verbergen sich bedrückende Vorfälle wie häusliche Gewalt und Stalking. Mit 1025 Verfahren hatten sich 2017 die Familienrichterin und ihre Kolleginnen Jutta Ziemer, Christina Seeberg und Anne Ottweiler zu befassen. Zugenommen haben den Familienrichterinnen zufolge Verfahren, in denen es um den Schutz von Kindern ging. Ferner haben sie ausgemacht, dass die Zahl der Anträge gestiegen ist, in denen Eltern verlangen, dass Sohn oder Tochter in einer geschlossenen psychiatrischen Station untergebracht werden. „Denen ist die Erziehung aus dem Ruder gelaufen. Pro Woche bekommen wir darüber einen Antrag“, so Margarete Wollstadt.

Positive Erfahrungen mit Bürgerbüro

Einschließlich der Richter und Gerichtsvollzieher arbeiten im Amtsgericht derzeit 58 Menschen. Jugendstrafrichterin ist Inken Tittel. Seit Oktober gibt es im Amtsgericht auch einen Justizservice. Dazu gehören ein Büro und ein Warteraum, der direkt neben der Wache im Erdgeschoss liegt. „Das ist unser Bürgerbüro“, sagt Stefan Koch, Direktor des Amtsgerichts und Zivilrichter. Damit sollen ihm zufolge die Geschäftsstellen von Publikum entlastet und gleichzeitig Sicherheit hergestellt werden. Wer zum Beispiel einen Antrag braucht, geht in das Büro. Die aktuelle Mitarbeiterin erfasst den Antrag und schickt den Antragsteller zum zuständigen Rechtspfleger. Der Zugang zum Justizservice ist rollstuhlgerecht und barrierefrei. „Die ersten Erfahrungen mit diesem Bürgerbüro sind ausgesprochen positiv“, sagt Koch. Größtenteils wird nach seinen Worten das Büro wegen Anträgen aus dem Nachlassbereich aufgesucht. „Wir sind noch dabei, das Arbeitsvolumen des Büros zu erfassen und tragen jeden Vorgang in eine Liste ein“, so der Direktor. Generell ist ihm wichtig, dass das Amtsgericht bürgerfreundlich aufgestellt ist. „Wir sind ein Stück Dienstleister“, betont der Jurist. Er ist gleichzeitig auch Zivilrichter. Diebstahl und Beleidigung zum Beispiel landen vor dem Strafrichter. Streit um das Erbe, Konflikte in der Nachbarschaft und Ruhestörung gehen in den Zivilprozess. „Aber Konflikte sind auch Chancen“, ist die Überzeugung von Koch. Insofern ist er überzeugter Anhänger der Mediation, also der Vermittlung, bei Zivilprozessen. „Eine gütliche Verständigung ist einer streitigen Entscheidung vorzuziehen.“ Das sagt der Zivilrichter auch aufgrund der Erfahrungen mit Nachbarschaftskonflikten, die ihm zufolge erbittert und über Jahre geführt werden können.

Zu befassen hat er sich darüber hinaus mit Verbraucherrecht und Streit wegen Nebenkosten zwischen Mieter und Vermieter. „Die Wohnungsmietsachen kommen bis zu 20 Mal pro Monat vor.“ Die Richterinnen Anne Ottweiler und Gesche Vitens befassen sich ebenfalls mit Zivilrecht. In den ersten drei Quartalen 2017 gab es 665 Neueingänge in Zivilsachen. Für das Jahr 2017 insgesamt geht das Gericht von 885 Zivilsachen aus.

Marcus Lemke ist Strafrichter beim Amtsgericht. 312 Prozesse hat er dieses Jahr führen müssen. 14 Mal tagte dabei das Schöffengericht. Dem Richter zufolge kommen bei den Straftaten je ein Fünftel auf Diebstahl und Unterschlagung sowie auf Körperverletzung und Beleidigung. Ebenfalls je ein Fünftel machen nach seinen Worten Betrug und Untreue sowie Verkehrsdelikte aus. „Bei den Verkehrsdelikten spielen Trunkenheitsfahrten die größte Rolle.“ Weiter schlügen ebenfalls zu einem Fünftel Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG), Wirtschaftsstrafsachen und Verbreitung von Kinderpornographie zu Buche, so Lemke. Hinsichtlich der Verstöße gegen das BtMG führt Cannabis die Liste an, gefolgt von Kokain. „Wenn es um Heroin geht, dreht es sich in der Regel um Beschaffungskriminalität – und das vorwiegend im Raum Schwanewede und Ritterhude.

Neben den Strafverfahren hat sich der Strafrichter auch mit Bußgeldverfahren zu befassen. Das dreht es sich ihm zufolge um die Einsprüche, die Betroffene gegen einen Bußgeldbescheid des Landkreises einlegen. Im Amtsgericht können sich Schüler ab einem Realschulabschluss auch zum Justizfachwart ausbilden lassen. „Das ist ein Ausbildungsplatz in der Region“, sagt Amtsgerichtsdirektor Koch. Wer aus dieser Gegend kommt, kann laut seinen Worten auch hier im Bezirk bleiben. „Das ist eine anspruchsvolle und abwechslungsreiche Arbeit“, wirbt der Jurist für diese Ausbildung. Weitere Informationen gibt es unter der Telefonnummer 04791 / 305 500.


Zeitungsartikel vom 04.01.2018 Friedrich-Wilhelm Armbrust

Mit der Justizangestellten Agnes Klein wirft der Direktor des Amtsgerichtes und Zivilrichter Stefan Koch (von links) im Bürgerbüro des Amtsgerichtes einen Blick auf ein Formular der Justiz. (Friedrich-Wilhelm Armbrust)

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