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Vorsorgevollmacht - Entmündigt wird niemand mehr

Wer seine Geld- und Rechtsgeschäfte nicht mehr alleine regeln kann, sollte möglichst vorher eine Vorsorgevollmacht erteilt haben. Die Suche nach einem passenden Betreuer kann nämlich dauern.

Heinrich Volmers (Name von der Redaktion geändert) hat einen Schlaganfall erlitten. Nach Krankenhaus-Aufenthalt und Rehabilitation bleibt auf den Rollstuhl angewiesen. Doch der 82-Jährige hat vorgesorgt. Er hat schon beizeiten seinem Sohn eine Vorsorgevollmacht erteilt. Er kann jetzt den Vater in verschiedenen Angelegenheiten vertreten. Volmers hat sich dabei an eine Vorlage der niedersächsischen Justiz gehalten. Jetzt kann sein Sohn für ihn unter anderem die Post entgegennehmen, Mietverträge abschließen, den Vater bei Behörden und Versicherungen vertreten.

Christina Seeberg, Richterin am Amtsgericht in der Kreisstadt und zuständig für Betreuung und Familiensachen, empfiehlt, frühzeitig eine solche Vollmacht für den Fall der Fälle auszustellen. Die kann wirksam werden nach Schlaganfall, bei zunehmender Demenz oder nach einem schweren Verkehrsunfall. „Der Aufwand ist gering, und das Alter ist nicht entscheidend“, sagt die Juristin. Ein Vorteil bestehe darin, dass der Vollmachtgeber seine Autonomie behält. Notariell beglaubigt werden muss die Vollmacht dann, wenn hohes Vermögen oder Grundstücke davon betroffen sind. Ein Formular der Vorsorgevollmacht vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz ist im Internet einzusehen. Darüber hinaus hat das Ausstellen einer Vorsorgevollmacht laut der Richterin ein weiteres Plus: „Wenn eine Notsituation eintritt, braucht keine Betreuung beantragt werden.“ Im Landkreis stehen derzeit rund 1500 Menschen unter der Fürsorge von Betreuern. 85 davon sind Berufsbetreuer, meist Rechtsanwälte und Sozialpädagogen. Sie unterstützen und beraten Volljährige, die im Alltag nicht ohne fremde Hilfe zurechtkommen würden.

Die Betreuten sind zum Beispiel psychisch krank, körperlich oder geistig behindert und eingeschränkt. Deshalb stellt ihnen das Gericht einen Betreuer zur Seite. Der kann die Betroffenen unter anderem rechtlich unterstützen oder sie hinsichtlich der Finanzen vertreten sowie bei Behörden und Pflegediensten. Das Betreuungsrecht trat 1992 in Kraft. Seither gibt es keine Entmündigungen mehr. Nach dem neuen Betreuungsrecht bleiben in der Regel die Betroffenen geschäftsfähig, wahlberechtigt, ehefähig und können ein Testament verfassen. „Sie waren vor 1992 rechtlos gestellt. Das wurde damals abgeschafft. Der Mensch und sein Selbstbestimmungsrecht ist damit in den Fokus gerückt worden“, sagt die Richterin.

Eine Betreuung einzurichten, ist ein langer Weg. Wäre es bei Volmers zu einer Betreuung gekommen, wäre sein Sohn zuerst zum Gesundheitsamt des Landkreises gegangen, um sich beraten zu lassen. Als nächster Schritt wäre beim Amtsgericht eine sogenannte Anregung eingegangen. Die enthält unter anderem, welche Aufgaben der Betreuer übernehmen soll und wer der Betreuer sein soll. Generell setzen sich die Vertreter der Behörden schrittweise ausgiebig mit der Lebenssituation des zu Betreuenden auseinander. „Es geht dabei um eine gezielte Unterstützung“, betont die Richterin. „Der Betroffene muss die Betreuung wollen und den Betreuer“, betont sie. Im Fall Volmers wäre dies der Sohn gewesen.

Findet sich kein Betreuer, kommt der Berufsbetreuer zum Zuge. In der Regel kommt der Betreuer aber aus der Familie, „weil es hier den größten Bezug gibt“, so Juristin Seeberg. Leider gibt es ihr zufolge derzeit zu wenig Berufsbetreuer. Bewerbungen dafür nimmt die Betreuungsstelle des Kreis-Gesundheitsamts entgegen. Info unter www.landkreis-osterholz.de

Neben Christina Seeberg bearbeiten beim Amtsgericht die Richterinnen Inken Tittel und Gesche Vitens Betreuungssachen.


Vollständiger Zeitungsartikel

Christina Seeberg, Richterin am Amtsgericht in der Kreisstadt, ist zuständig für Betreuung und Familiensachen. (Friedrich-Wilhelm Armbrust)

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