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Tag des Betreuungsrechts

Der erklärte Wille

Mit einer Podiumsdiskussion und Themen-Ständen informierte das Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck jetzt über die Instrumente Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und gesetzliche Betreuung.

Amtsgerichtsdirektorin Inken Tittel (rechts) moderierte die Podiumsdiskussion mit (von links) Siegfried Lindemann als beruflichem Betreuer, Notar Wolfgang Liening, Betreuungsrichterin Gesche Vitens, Anästhesist Christian Remke, Rechtspflegerin Lisa-Marie Eulenborn, Astrid Folkers vom Gesundheitsamt und Gutachter Bernhard Krüger. (Friedrich-Wilhelm Armbrust)

Osterholz-Scharmbeck. Peter Wilkens (Name von der Redaktion geändert) hat einen Verkehrsunfall gehabt; seitdem sitzt er im Rollstuhl. Aber der 52-Jährige hat seinem Sohn eine Vorsorgevollmacht erteilt. Der kann jetzt den Vater in verschieden Angelegenheiten vertreten. In der Vollmacht ist detailliert festgeschrieben, inwieweit die Entscheidungsbefugnis des Sohnes reicht. Er darf jetzt zum Beispiel einer Untersuchung des Gesundheitszustands, einer Heilbehandlung oder einem ärztlichen Eingriff zustimmen oder auch widersprechen. Auch hat der Vater sein Ja dazu gegeben, dass der Sohn sein Vermögen verwaltet und Geldgeschäfte regelt.

Ähnliche Fälle und weiter gehende Beispiele machten jetzt in der Amtslinde die Runde. Zur Sprache kamen sie dort beim sogenannten Tag des Betreuungsrechts. Eingeladen hatte dazu das Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck. Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und Betreuung waren die Themen des Tages. Die Verantwortlichen boten dazu eine Podiumsdiskussion mit Ärzten und Rechtsanwälten sowie Landkreismitarbeiterin und Rechtspflegerin an.

Amtsgerichtsdirektorin Inken Tittel moderierte die Diskussion mit anschließendem Frageblock. Interessiert verfolgten die Besucher, davon die meisten über 60 Jahre alt, im voll besetzten Saal die Ausführungen der Fachleute. Danach zeigte sich weiterer Informationsbedarf bei den Teilnehmern der Veranstaltung. Sie konnten an Informationsständen ihren speziellen Fragen nachgehen.

Der niedersachsenweite Tag des Betreuungsrechts fand dieses Jahr zum ersten Mal statt. Justizministerin Barbara Havliza hatte ihn ins Leben gerufen; es besteht nach ihrer Ansicht viel zu oft Unklarheit darüber, welche rechtlichen Folgen die Erkrankung oder Behinderung eines Erwachsenen haben kann. Mancher sei dann überrascht, wenn Ehepartner oder Eltern eines volljährigen Kindes den Erkrankten nicht ohne Weiteres vertreten können, so die Ministerin. Spätestens ab dem Alter von 18 Jahren können auch die Eltern durchaus nicht ohne Weiteres über ein bestimmtes Vorgehen im Notfall bestimmen. Mit diesem Tag soll nach den Worten der Ministerin die praktische Bedeutung des Betreuungsrechts bekannter werden.

Verfügung vor den Notfall

Anästhesist Dr. Christian Remke vom Kreiskrankenhaus stieg mit einem Beispiel ein. Er stellte den Fall eines Patienten vor, der einen Schlaganfall erlitten hatte. „Der Mann ist nicht mehr einwilligungsfähig. Ein langer Krankheitsverlauf steht ihm bevor. Eine Menge an Maßnahmen ist notwendig, und er muss künstlich beatmet werden.“ Optimal wäre da eine Patientenverfügung, deutlich und detailliert, so der Mediziner. Ihm zufolge sagt sie den Ärzten im Notfall, welche Maßnahmen der Patient wünscht und welche er ablehnt. Es könnten zum Beispiel auch religiöse oder ethische Gründe mit einfließen. In der Patientenverfügung geht es laut Dr. Remke um Grenzsituationen von schwerster Krankheit mit der Möglichkeit des Todes. Ausführlich wurde das Thema Betreuung behandelt. Ein Betreuer kann als gesetzlicher Vertreter für den Betreuten unterschreiben und Rechtsgeschäfte abschließen. Dabei zeigte sich: Eine Betreuung einzurichten, ist ein langer Weg. Soll es zu einer Betreuung kommen, so führt der erste Weg zum Gesundheitsamt des Landkreises, um sich beraten zu lassen. „Wir ermitteln den Sachverhalt, fragen nach Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung und erstellen einen Sozialbericht“, so Astrid Folkers vom Gesundheitsamt.

Als nächster Schritt geht beim Amtsgericht eine sogenannte Anregung ein. Das Verfahren kann auch beim Amtsgericht beginnen: mit einer Anregung von jemanden, der sich um einen Menschen Sorgen macht. Oder sie kommt aus dem Krankenhaus oder einem Heim. Die Anregung enthält unter anderem Angaben darüber, welche Aufgaben der Betreuer übernehmen soll und wer der Betreuer sein soll. Generell setzen sich die Vertreter der Behörden dann schrittweise und ausgiebig mit der Lebenssituation des zu Betreuenden auseinander. Auch ein medizinischer Sachverständiger wird mit einbezogen.

Sei alles soweit angebahnt, „nehmen wir den angedachten Betreuer mit“, erklärte Gesche Vitens, Betreuungsrichterin beim Amtsgericht. Es müsse „eine gewisse Sympathie“ füreinander da sein, sagte sie. Findet sich kein ehrenamtlicher Betreuer (Kind, Nachbar, Freund), kommt der Berufsbetreuer zum Zuge. Das kann ein Jurist sein wie Rechtsanwalt Siegfried Lindemann. Er verwies darauf, dass die rechtliche Betreuung 1992 die frühere Entmündigung, Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige abgelöst habe.

Für Lindemann sind in seiner Arbeit „Vertrauen und Respekt“ wichtig. „Das ist Hilfe und keine Bevormundung.“ Zur Finanzierung sagte er: „Ist ein Vermögen von mehr als 5000 Euro vorhanden, wird daraus die Betreuung finanziert. Sonst übernimmt das die Staatskasse.“ Der ehrenamtliche Betreuer ist nach deutschem Recht dem beruflichen Betreuer vorzuziehen.

Ist ein Betreuer als gesetzlicher Vertreter benannt worden, gibt es zwischen ihm und der Rechtspflege des Amtsgerichtes eine Kooperation. Zum Beispiel müsste die Rechtspflegerin beim Amtsgericht, Lisa-Marie Eulenborn, eine betreuungsrechtliche Genehmigung erteilen, wenn ein Haus verkauft werden soll. Der Betreuer legt dann einen Kaufvertrag vor, den die Rechtspflegerin prüft, ob er wirtschaftlich sinnvoll ist. Sie fasst auch weitere Schritte ins Auge.

Der Unterschied zwischen dem Erteilen einer Vorsorgevollmacht und einer Betreuung besteht darin, dass bei einer Betreuung das Amtsgericht mit im Boot ist. Reinhardt Fritz aus Osterholz-Scharmbeck hat ehrenamtlich als Betreuer gearbeitet. Über die Zusammenarbeit mit den Behörden und Einrichtungen geriet er beinahe ins Schwärmen: „Ich bin immer hervorragend unterstützt worden. Hatte ich Fragen, war das kein Problem.“ Das sei „alles hundertprozentig“ gewesen, so Fritz.

Laut der Pressesprecherin des Landkreises, Jana Lindemann, gibt es rund 1600 Betreuungsverhältnisse im Kreisgebiet. Sie verteilen sich auf Angehörige, Ehrenamtliche sowie einen Pool von 25 Berufsbetreuern mit Arbeitsschwerpunkt im Landkreis Osterholz.


Vollständiger Zeitungsbericht vom 25.09.2019

Amtsgerichtsdirektorin Inken Tittel (rechts) moderierte die Podiumsdiskussion mit (von links) Siegfried Lindemann als beruflichem Betreuer, Notar Wolfgang Liening, Betreuungsrichterin Gesche Vitens, Anästhesist Christian Remke, Rechtspflegerin Lisa-Marie Eulenborn, Astrid Folkers vom Gesundheitsamt und Gutachter Bernhard Krüger. (Friedrich-Wilhelm Armbrust)

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