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Richter in Osterholz-Scharmbeck

Marcus Lemke ist Strafrichter am Amtsgericht in Osterholz-Scharmbeck. „Das hat sich so ergeben“, sagt der 44-Jährige zwar lapidar. Betont aber zugleich, dass er ein Faible für das Strafrecht habe.

Er sei im Rahmen seiner Tätigkeit in der Justiz schon früh, in den ersten drei, vier Jahren, mit Strafsachen betraut worden, sagt der promovierte Jurist. „Da habe ich dann mein Faible dafür entdeckt.“

Am Amtsgericht in Osterholz-Scharmbeck sind sein Büro und der Sitzungssaal 5 im Erdgeschoss sein Terrain. Montags, am Mittwoch und teilweise donnerstags muss er seine Urteile fällen. Strafprozesse sind öffentlich und laufen nach festen Regeln ab. Es beginnt mit dem Aufruf zur Sache, dann werden die Personalien des Angeklagten festgestellt. Vertreter der Staatsanwaltschaft verlesen die Anklage. Es folgt der oft lange Teil der Beweisaufnahme, in der die Zeugen verhört werden. Ist sie abgeschlossen, halten Verteidiger und Staatsanwalt ihre Plädoyers. Zum Schluss hat der Angeklagte das Recht auf ein letztes Wort. Danach zieht sich der Richter zur Urteilsfindung zurück. Sie dauert in der Regel wenige Minuten.

Meist einstimmige Urteilsfindung

Sind Schöffen mit dabei, braucht es dafür aber auch schon mal bis zu einer Stunde. „Die Schöffen haben das gleiche Stimmrecht wie ich“, sagt Lemke. Theoretisch sei es möglich, dass beide Schöffen für unschuldig stimmen. „Dann bin ich überstimmt und muss den Angeklagten frei sprechen, selbst wenn ich von der Schuld des Angeklagten überzeugt bin. In aller Regel kommen wir aber zu einstimmigen Ergebnissen bei der Urteilsberatung.“

Die Prozesse laufen in ruhiger sachlicher Atmosphäre ab. Zuschauer sind zugelassen. Sie dürfen aber keine Zwischenrufe oder Anmerkungen im Prozessverlauf von sich geben. Da versteht der Strafrichter keinen Spaß. Nach dem ersten Mal gibt es eine Ermahnung. Beim zweiten Mal folgt ein Ordnungsgeld in Höhe von 150 Euro. Auch Angeklagte oder Zeugen scheinen sich nicht immer bewusst zu sein, dass ein Prozess oder eine sogenannte Hauptverhandlung keine Spaßveranstaltung ist. Da musste ein Richter zwei junge Frauen schon mal darum bitten, das Kaugummi aus den Mund zu nehmen. Eine andere Angeklagte pflanzte sich, mit Beutel und halb ausgetrunkener Colaflasche auf dem Tisch, vor den Richter hin. Oder eine Zeugin, die wenig glaubhaft wirkte, zischte, ohne auf Wiedersehen zu sagen, beleidigt aus dem Gerichtssaal.

Rund 350 Anklagen in 2016

Gut 350 Anklagen landeten im vergangenen Jahr auf dem Schreibtisch des Richters. Unter anderem waren darunter Anklagen wegen Verkehrsdelikten wie Trunkenheit am Steuer, Körperverletzung, häusliche Gewalt, Bedrohung, Erschleichen von Leistungen und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Die Anzahl der Strafbefehle betrug 420. Das Schöffengericht musste 26 Mal zusammenkommen. 230 Mal standen 2016 Bußgeldsachen an. Das Amtsgericht ist für Straftaten zuständig, die mit Freiheitsstrafen von nicht mehr als vier Jahren geahndet werden. Die Juristen unterscheiden bei Straftaten zwischen Vergehen und Verbrechen. Auf ein Verbrechen steht eine Freiheitsstrafe von nicht weniger als einem Jahr. Daneben gibt es noch die Ordnungswidrigkeiten wie zum Beispiel falsch zu parken oder zu schnelles Fahren. Sie können, müssen aber nicht verfolgt werden.

Richter Lemke ist überzeugt davon, „dass wir hier in Sachen Justiz und Polizei gut aufgestellt sind“. Das gelte auch für die Strafverteidiger. Dies werde für ihn zum Beispiel immer wieder deutlich bei der sogenannten Verständigung. Sie ist per Gesetz in Deutschland geregelt. Die Verständigung sieht vor, dass sich Richter, Staatsanwalt und Verteidiger in öffentlicher Hauptverhandlung über das Ergebnis des Verfahrens eben verständigen. Im Mittelpunkt steht dabei häufig der zu erwartende Strafrahmen im Falle eines Geständnisses. Er lege großen Wert darauf, so der Strafrichter über sein Ethos, „dass keiner von meinen Entscheidungen überrascht wird“. Und eine Strafe müsse unbedingt tat- und schuldangemessen sein.

Eine klare Absage erteilt der Strafrichter irgendwelchen Varianten von Selbstjustiz. „Wir sind ein sicherer Staat. Er kann seine Bürger schützen. Wir haben ein ordentliches Rechtssystem und die Polizei leistet gute Arbeit.“


Zeitungsartikel vom 05.01.2017 - Friedrich Armbrust
Foto vom Sitzungssaal   Bildrechte: F.-W. Armbrust

Der Blick aus der Besucherperspektive in den Gerichtssaal 5 im Amtsgericht (Friedrich-W. Armbrust)

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