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Jugendrichterin beim Amtsgericht

Rund 200 Jugendstrafsachen bekommt Inken Tittel pro Jahr auf den Tisch. Manchmal greift die Richterin zu ungewöhnlichen Mitteln, um die jugendlichen Täter zur Einsicht zu bringen.

Inken Tittel ist seit zehn Jahren Jugendrichterin beim Amtsgericht. Dabei greift sie auch schon mal zu ungewöhnlichen Mitteln, um Jugendliche und Heranwachsende auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen. Ein künstlerisch interessierter junger Mann habe zum Beispiel die Weisung bekommen, einen Poetry Slam über seinen Aufenthalt in der Jugendarrestanstalt zu verfassen, ein anderer textete einen Rapgesang, berichtet die Richterin. Eine nachhaltige „Strafe“: „Die sind nicht wieder in Erscheinung getreten“, ist ihre Erfahrung. Der Rap liegt übrigens immer noch in der Schreibtischschublade der Richterin.

Das Jugendgerichtsgesetz von 1974 definiert gleich in seinem zweiten Paragrafen das Ziel des Jugendstrafrechtes: Es soll gegengesteuert und verhindert werden, dass ein Jugendlicher oder Heranwachsender neue Straftaten verübt. Um dieses Ziel zu erreichen sei „das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten“, heißt es weiter. Dazu sind Weisungen und Auflagen zu erteilen, es kann auch Jugendarrest bis zu vier Wochen Dauer verhängt werden oder eine Jugendstrafe mit oder ohne Bewährung.

Das Gesetz unterscheidet zwischen Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren und Heranwachsenden zwischen 18 und 21 Jahren. Die Auflagen oder Anweisungen sind vielfältig: Die Jugendlichen müssen Sozialstunden absolvieren, an regelmäßigen Gesprächsterminen bei der Jugendhilfe des Diakonischen Werkes teilnehmen oder sich bemühen, in den Täter-Opfer-Ausgleich zu gehen. „Ziel ist es, eine Reaktion zu erzeugen“, formuliert es die Juristin. „Jugendrichterliche Maßnahmen können durchaus etwas bewirken. Klare Ansagen werden von vielen Jugendlichen erwartet.“

Sie habe viele Möglichkeiten erzieherische Weisungen auszusprechen, sagt die Richterin. „Ich kann zum Beispiel auch verbieten, Erntefeste oder Diskotheken zu besuchen. Oder jemand muss im Haushalt mithelfen oder regelmäßige Drogentests vorlegen“, nennt sie Beispiele. Den Widerhall macht die hohe Akzeptanz bei den Urteilen deutlich. „95 Prozent der Urteile werden sofort rechtskräftig“, so Inken Tittel. Und 85 Prozent aller Fälle werden nach ihren Worten an einem Verhandlungstag abgewickelt.

Rund 200 Strafsachen pro Jahr

Die Akten von jeweils rund 200 Jugendstrafsachen sind 2016 und 2017 auf dem Schreibtisch der Jugendrichterin gelandet. 30 Mal pro Jahr tagte das Jugendschöffengericht in den beiden Vorjahren. Das Jugendschöffengericht ist neben der Jugendrichterin mit je einem weiblichen und einem männlichen ehrenamtlichen Jugendschöffen besetzt und entscheidet über Verfehlungen, bei denen eine höhere Strafe zu erwarten ist. Bei gravierenden Taten werden dort auch mehrjährige Freiheitsstrafen ohne Bewährung verhängt, die dann in der Jugendanstalt Hameln verbüßt werden müssen.

Die Anzahl der Jugendlichen geht deutschlandweit zurück. Das schlägt sich laut Tittel in der Jugendkriminalität nieder: Auch sie nimmt ab, ebenfalls deutschlandweit. Zur Sprache kommen bei der Jugendrichterin Straftaten wie Verstöße gegen das Betäubungsmittel-gesetz, Körperverletzung, Diebstahl, Raub, Unterschlagung und Betrug. Zu 15 Prozent schlagen Verkehrsstraftaten wie Fahren ohne Fahrerlaubnis und Alkohol am Steuer zu Buche. Der Anteil der Mädchen und jungen Frauen an Straftaten beträgt laut Richterin bis zu 15 Prozent. Sie werden häufig bei Ladendiebstählen, Schwarzfahren, Beleidigung und Bestell-Betrug ertappt.

Um über eine angemessene Sanktion zu entscheiden, ist die Richterin auf die Zusammenarbeit mit verschieden Einrichtungen und Behörden angewiesen. „Das klappt hier ausgesprochen gut mit der Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendamt und Jugendgerichtshilfe“, urteilt sie. Hilfreich seien dabei die kurzen Wege.

Das Amtsgericht sucht übrigens zehn neue Schöffen für das Jugendschöffengericht. Dafür müssen sich Interessierte bis zum 15. Februar beim Landkreis bewerben. Auf der Internetseite des Landkreises unter www.landkreis-osterholz.de (Suchbegriff „Jugendschöffen“) gibt es dazu die Ausschreibung.

Zeitungsartikel vom 29.01.2018 - Friedrich-Wilhelm Armbrust

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